Walther von der Vogelweide
Walthers erstes Preislied, ca. 1198

 
 
 
Si wunderwol gemachet wîp,
daz mir noch werde ir habedanc!
Ich setze ir minneclîchen lîp
vil werde in mînen hôhen sanc.
Gern ich in allen dienen sol,
doch hân ich mir dise ûz erkorm.
ein ander weiz die sînen wol:
die lob er âne mînen Zorn;
hab ime wîs unde wort
mit mir gemeine: lob ich hie, sô lob er dort.
Sie vollkommenste Frau, -
möge mir noch Dank und Lohn von ihr zufallen!
Denn ihrer Schönheit räume ich ja
den Ehrenplatz in meinem Lobgesang ein.
Wohl wünscht ich, ihnen allen zu dienen, -
doch hab ich mir diese auserwählt.
Ein andrer wird die seine kennen:
er rühme sie, und mir sei's recht;
mögen wir sogar Melodie und Wort
gemeinsam haben: sing ich hier den Lobgesang, so soll er's dort tun.
Ir houbet ist sô wünnenrîch,
als ez mîn himel welle sîn.
Wem solde ez anders sîn gelîch?
es hât ouch himeleschen schîn:
Dâ liuhtent zwêne sternen abe,
dâ müeze ich mich noch inne ersehen,
daz si mirs alsô nâhen habe!
sô mac ein wunder wol geschehen:
ich junge, und tuot si daz,
und wirt mir gernden siechen seneder sühte baz.
Ihr Haupt ist so schön
als sei es mein Himmel.
Wem anders sollte es auch gleichen?
Es strahlt ja himmlischen Glanz aus:
Zwei Sterne leuchten aus ihm,
in ihnen möchte ich mich wohl noch spiegeln -
ach, brächte sie sie mir so nahe!
Dann könnte ein Wunder geschehn:
tut sie das, werde ich wieder jung,
und mir dem Sehnsuchtskranken wird Heilung von Sehnsuchtsnot.
Got hât ir wengel hôhen flîz,
er streich sô tiure varwe dar,
Sô reine rôt, sô reine wîz,
hie roeseloht, dort liljenvar.
Ob ichz vor sünden tar gesagen,
sô saehe ichs iemer gerner an
dan himel oder himelwagen.
owê waz lob ich tumber man?
mach ich si mir ze hêr,
vil lîhte wirt mîns mundes lop mîns herzen sêr.
Gott hat große Sorgfalt auf ihre Wangen verwandt,
mit so kostbarer Farbe malte er sie,
so reines Rot, so reines Weiß,
hier rosenleuchtend, dort lilienfarben.
Wär es nicht Sünde, so wagte ich zu sagen
daß ich inniger sie anzusehen begehre
als den Himmel und den Großen Wagen.
Ach, wohin versteig ich mich mit meinem Lob, ich Narr?
Erhebe ich sie zu hoch über mich hinaus,
wie leicht wird dann die Loblust meines Mundes der Schmerz meines Herzens.
Sie hât ein küssen, daz ist rôt.
gewünne ich daz für mînen munt,
Sô stüende ich ûf von dirre nôt
unt waere ouch iemer mê gesunt.
Swâ si daz an ir wengel legt,
dâ waere ich gerne nâhen bî:
ez smecket, sô manz iender regt,
alsam ez vollez balsmen sî:
daz sol si lîhen mir.
swie dicke sô siz wider wil, sô gibe ichz ir.
Sie hat ein Kissen, das ist rot.
Dürft ich das an meinen Mund führen,
dann stünd ich auf von meinem Krankenlager
und wäre gesundet für alle Zeit.
Dort wo sie es an ihre Wange legt,
wünschte ich ganz nahe zu sein.
Es duftet, wenn man es irgend berührt,
als sei es lauter Balsam:
das soll sie mir leihen.
So oft sie es zurückhaben will, geb ich's ihr.
Ir kel, ir hende, ietweder fuoz,
daz ist ze wunsche wol getân.
Ob ich da enzwischen loben muoz,
sô waene ich mê beschouwet hân.
Ich hete ungerne >decke blôz!<
gerüefet, do ich sî nacket sach.
si sach mich niht, dô si mich schôz,
daz mich noch sticht als ez dô stach,
swann ich der lieben stat
gedenke, dâ si reine ûz einem bade trat.
Ihr Hals, ihre Hände, ihre Füße -
das alles ist bezaubernd schön.
Soll ich preisen was dazwischen ist,
so meine ich freilich, mehr noch gesehen zu haben.
Ich hatte wenig Neigung warnend »Bedeck dich!«
zu rufen, als ich sie nackend sah.
Sie sah mich nicht, als sie mich ins Herz traf,
daß es mich heute noch schmerzt wie damals
sooft ich der lieben Stätte
gedenke, da sie, die Reine, aus dem Bade stieg.